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Future of Jobs: Bewerbungsgespräch bei einer künstlichen Intelligenz

Neues Jahr, neuer Job? In einem Vorstellungsgespräch finden Bewerbende und Unternehmen heraus, ob der/die mögliche neue Mitarbeitende*r die notwendigen Kenntnisse für die Stelle mitbringt und gut ins Team passt. Spätestens seit Covid-19 werden viele dieser Gespräche digital geführt – aber was, wenn einem auf einmal kein Recruiter gegenübersitzt, sondern man Fragen einer künstlichen Intelligenz (KI) beantworten muss? Dr. Martin Fladerer erklärt, was dahintersteckt.

Vor kurzem hat Jakub Cichor erklärt, ob Roboter in zehn Jahren unsere Chefs sein könnten. Heute beginnen wir noch einen Schritt früher – und blicken auf Bewerbungsprozesse mithilfe künstlicher Intelligenz: Dr. Martin Fladerer arbeitet am Lehrstuhl für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement der Technischen Universität München. Gemeinsam mit Kolleg*innen beschäftigt er sich im Forschungsprojekt „New Job, New You“ mit der Persönlichkeitsentwicklung von Menschen im Berufsleben und begleitet Personen, die ihre Arbeitsstelle kürzlich gewechselt haben.

 

Dr. Fladerer, wie haben sich Vorstellungsgespräche durch die Digitalisierung verändert?

Mehr oder weniger standardmäßig werden heutzutage Vorstellungsgespräche mittels Videotelefonie durchgeführt. Ein Trend ist der Einsatz von Algorithmen in diesen Videogesprächen, die anhand vorausgewählter Kriterien das Auftreten eines/r Kandidat*in beurteilen. Diese Informationen werden genutzt, um Auswahlprozesse zu unterstützen. Im Extremfall sind die Gespräche bereits vollständig automatisiert: Man spricht mit einer „künstlichen Intelligenz“ statt eine*m HR-Verantwortliche*n. Und am Ende trifft der Algorithmus die Entscheidung, wer im Prozess vorrückt.

Für Bewerbende ist so ein Gespräch sicher im ersten Schritt mit Unsicherheit verbunden. Wie läuft so ein Gespräch ab und wie bereitet man sich gut darauf vor?

In der Regel erhält der/die Bewerbende*r einen Zugangscode zu einer Plattform und wird dort anhand vorprogrammierter Fragen durch das Gespräch geführt. Die Antworten werden aufgezeichnet und automatisiert von Algorithmen ausgewertet. Was genau analysiert wird, ist dabei meist für den/die Bewerber*in unklar. Im Prinzip können drei Informationsquellen zur Analyse genutzt werden: erstens video-basierte Daten wie der Gesichtsausdruck, zweitens verbale Inhalte, z.B. die Verwendung von Schlüsselwörtern, und drittens verbale Modulationen, also, wie man die Dinge sagt.

Eine Hintergrundrecherche zur eingesetzten Technologie kann helfen, zu verstehen, worauf der Algorithmus Wert legt. Die Plattformentwickler sind hier unterschiedlich weit – und ehrlich gesagt ist die Technologie bei weitem noch nicht verlässlich und valide.

Ein wichtiger Punkt in Vorstellungsgesprächen ist, ob der/die Bewerbende ins Team passt und sich natürlich auch selbst vorstellen könnte, mit den Personen, die er/sie kennenlernt, zu arbeiten. In so einem digitalisierten Prozess ist das nicht möglich. Was sind die Konsequenzen?

Aus diesem Grund kann meines Erachtens ein automatisiertes Gespräch immer nur ein Baustein im Auswahlprozess sein, bspw. um spezifische Fähigkeiten zu erfassen. An einem bestimmten Punkt ist der persönliche Kontakt für beide Seiten unerlässlich. Für Unternehmen besteht die Gefahr durch den Einsatz dieser Tools als unpersönlich wahrgenommen zu werden. Bewerber*innen beschreiben beispielsweise, dass sie nicht das Gefühl haben, als Mensch gesehen zu werden. Daher ist es wichtig für die Organisationen, Transparenz beim Einsatz der Technologie zu schaffen und trotz aller Digitalisierung menschliche Ansprechpartner*innen einzubinden.

Wie sieht die Zukunft der Vorstellungsgespräche aus – werden wir in 10 Jahren alle von einem Roboter interviewt?

Der Einsatz von digitaler Technologie schreitet in allen Lebensbereichen fort. Verbesserungen in der Analysefähigkeit von Mimik, Gestik und Sprache des Menschen werden hier keine Ausnahme darstellen. Gleichzeitig müssen wir uns vor einer Glorifizierung „künstlicher Intelligenz“ schützen. Die Verfahren sind bisher keineswegs ausgereift: KI wird auch immer noch von Menschen programmiert, die ihre Annahmen und Vorurteile in die Software codieren, welche diese dann reproduzieren. Ich hoffe also, dass KI in Auswahlgesprächen als eine Informationsquelle unter anderen gesehen und genutzt werden wird, und nicht als die einzig wahre.

Dr. Martin Fladerer

Über „New Job, New You“

Das Projekt erforscht über einen Zeitraum von drei Jahren die Entwicklung von Personen nach einem Wechsel der Arbeitsstelle. Hierfür werden die Teilnehmer*innen in einem Intervall von drei bis sechs Monaten mit Hilfe eines Online-Fragebogen oder persönlichen Interviews befragt. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und in Kooperation mit dem TUM Institute for LifeLong Learning durchgeführt. Geleitet wird es von Prof. Dr. Claudia Peus und Assoc. Prof. Dr. Armin Pircher Verdorfer (Universität Amsterdam) unter Mitarbeit von Dr. Martin Fladerer und Clarissa Zwarg. Weitere Informationen zum Forschungsprojekt erhalten Sie auf der Website des Lehrstuhls für Forschungs- und Wissenschaftsmanagements.

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