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Interview mit Prof. Dr.-Ing. Werner Lang: Wie unterstützt Ökologisches Bauen den Wandel unserer Städte?

Im November 2022 startet das Zertifikatsprogramm „Ökologisches Bauen“ erstmals an der Technischen Universität München. Prof. Dr.-Ing. Werner Lang, der die Professur für energieeffizientes Bauen und Planen an der TUM innehat, hat den berufsbegleitenden Weiterbildungskurs mit seinem Team federführend entwickelt. Wir haben ihn zu den Zielen des Programms und der Relevanz von ökologischem Bauen für Unternehmen der Branche sowie für uns alle befragt.

 

Herr Prof. Lang, Ökologisches, nachhaltiges Bauen ist seit einiger Zeit ein Buzzword. Warum – und wird ökologisches Bauen bereits praktiziert oder steht die Branche noch am Anfang?

Prof. Dr.-Ing. Werner Lang

Prof. Dr.-Ing. Werner Lang ist Professor für energieeffizientes Planen und Bauen an der TUM. Foto: Astrid Eckert.

Prof. Dr.-Ing. Lang: Wir stehen heute vor den Herausforderungen des Klimawandels, der wachsenden Weltbevölkerung sowie der Ressourcenknappheit. Das Bauwesen spielt zur Reduktion des CO2 Ausstoßes eine entscheidende Rolle: So werden beispielsweise derzeit rund 40 % der eingesetzten Endenergie in Bayern für den Gebäudebereich aufgewendet. Weltweit sind rund 60 % des Strombedarfs und rund ein Drittel der CO2-Emissionen auf den Gebäudesektor zurückzuführen. Die Belastbarkeitsgrenzen unseres globalen Ökosystems sind also weit überschritten.

Ziel unserer Arbeit ist es deshalb, Konzepte zur Umsetzung eines positiven ökologischen Fußabdrucks im Bauwesen aufzuzeigen. Wir wollen Entscheidungsträger motivieren, auf regenerative Energiesysteme und Baustoffe zurückzugreifen und in geschlossenen Kreisläufen zu denken. Nur so kann das anfängliche Wunschdenken nachhaltiger Gebäude in aktives Handeln überführt werden.

Wie unterstützt das neue Zertifikatsprogramm dabei, die notwendigen Vorgänge tatsächlich in die Praxis zu überführen?

Prof. Dr.-Ing. Lang: Die Entwicklung, Planung und Umsetzung von ressourceneffizienten und nachhaltigen Lösungen stellt das Bauwesen vor Herausforderungen. Diese lassen sich die sich aufgrund des Umfangs und der Komplexität nur unter Berücksichtigung aller Maßstabsebenen (Stadt-Quartier-Gebäude) und aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Akteure (z.B. Gesetzgeber, Planungsämter, Baufirmen, etc.) lösen. Bereits heute müssen Antworten gefunden werden, um die geltenden gesetzlichen Vorschriften zu erfüllen, einen nahezu CO2-freien Gebäudebetrieb sicherzustellen. Für die genannten Aufgaben fehlen jedoch noch viele ausgebildete Fachkräfte.

Das Zertifikatsprogramm vermittelt berufsbegleitend Grundlagen der qualitativen und quantitativen Analyse von nachhaltigkeitsrelevanten Teilaspekten von Gebäuden und Stadtquartieren. Ökologische Fragestellungen stehen ebenso im Vordergrund wie ökonomische, soziale und technische Aspekte. Erfahrene Dozent*innen vermitteln einen integralen Planungsansatz, wie nachhaltige Gebäude, Quartiere und Städte zukunftsfähig geplant und umgesetzt werden können.

Neben der Praxisorientierung baut die Weiterbildung auch auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auf. Welche Forschungserkenntnisse gibt es an der TUM in diesem Bereich?

Prof. Dr.-Ing. Lang: Nachhaltiges und digitales Bauen sind die aktuell dominierenden Forschungsfelder im Bauwesen. Der wesentliche Fokus des Lehrstuhls für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen ist die Implementierung eines positiven ökologischen Fußabdrucks in der Bauwirtschaft. Unsere Forschungsfelder konzentrieren sich auf die Lebenszyklusanalyse, Lebenszykluskosten, den Einsatz klimaneutraler Energiekonzepte sowie auf die Erstellung von Handlungsempfehlungen für Städte, Kommunen, Entscheider*innen und Geschäftsführer*innen.

Was verstehen Sie genau unter „Life Cycle Engineering“, das auch im Seminar betrachtet wird, und warum ist dieser Ansatz so relevant?

Prof. Dr.-Ing. Lang: Aufbauend auf digitalen Analyse-, Berechnungs- und Planungswerkzeugen bieten sich enorme Chancen im Kontext der umfassenden Digitalisierung in allen Bereichen des Bauwesens. Ziel ist, über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden und Stadtquartieren hinweg entsprechende Optimierungspotenziale zu nutzen. Im Modul „Life Cycle Engineering“ wird erarbeitet, welche die wichtigsten Stellschrauben des Gebäudeentwurfs sind, um lebenszyklusbezogen eine ökologische und ökonomische Optimierung der Lösungsansätze zu erreichen.

Zuletzt: Wie sehen unsere Städte und Quartiere in 50 Jahren aus?

Prof. Dr.-Ing. Lang: Die urbane Bevölkerung wird sich bis zum Jahr 2050 verdoppeln: 70% der Weltbevölkerung werden bis dahin in wachsenden Großstädten leben. Es herrscht Wohnungsknappheit, Umweltkatastrophen mehren sich. Städte sind aufgrund ihrer Struktur und des Energieverbrauchs maßgeblich zur Umsetzung der Klimaziele gefordert: Neue Ideen, Lösungen und Innovationen tragen dazu bei, mit robusten und lernfähigen Städten auf die Herausforderungen reagieren zu können. Deshalb wird es – idealerweise – zielführende Strategien und Leitbilder geben, die bspw. gemeinnützige Initiativen fördern. Begrünte Dächer und Fassaden sowie der umfassende Einsatz regenerativer Energiesysteme werden 2071 ebenfalls zum Stadtbild gehören, wie alternative Mobilitätskonzepte – kurz: die ökologische Bauweise hat weiter an Bedeutung gewonnen.

Weitere Informationen zum neuen Zertifikatsprogramm „Ökologisches Bauen“ erhalten Sie hier.

 

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